Archiv der Kategorie: Geschichte: CHILE 1973

Estadio Chile/Wir sind fünftausend

Der Sänger und Gitarrist Víctor Jara war am 12. September 1973 verschleppt und mit Tausenden von Mitgefangenen im Estadio Chile in Santiago eingesperrt worden. Der damals 41-Jährige wurde gefoltert, seine Hände verstümmelt, vier Tage später wurde er ermordet. Als Reaktion auf die hämische Aufforderung der Soldaten, er solle doch singen, wenn er ein Sänger sei, erhob Víctor Jara noch einmal seine Stimme, um das Lied der Unidad Popular „Venceremos – „Wir werden siegen“ anzustimmen. Daraufhin wurde er zusammengeschlagen und schließlich mit vierzig Maschinengewehrschüssen getötet.

Somos cinco mil aquí
en esta pequeña parte la ciudad.
Somos cinco mil.
¿Cuántos somos en total
en las ciudades y en todo el país?
Sólo aquí,
diez mil manos que siembran
y hacen andar las fábricas.
Cuánta humanidad
con hambre, frío, pánico, dolor,
presión moral, terror y locura.

Seis de los nuestros se perdieron
en el espacio de las estrellas.
Uno muerto, un golpeado como jamás creí
se podría golpear a un ser humano.
Los otros cuatro quisieron quitarse
todos los temores,
uno saltando al vacío,
otro golpeándose la cabeza contra un muro
pero todos con la mirada fija en la muerte.
¡Qué espanto produce el rostro del fascismo!
Llevan a cabo sus planes con precisión artera
sin importarles nada.
La sangre para ellos son medallas.
La matanza es un acto de heroísmo.
¿Es este el mundo que creaste, Dios mío?
¿Para esto tus siete días de asombro y de trabajo?
En estas cuatro murallas sólo existe un número
que no progresa.
Que lentamente querrá más la muerte.

Pero de pronto me golpea la consciencia
y veo esta marea sin latido
y veo el pulso de las máquinas
y los militares mostrando su rostro de matrona
llena de dulzura.
¿Y México, Cuba y el mundo?
¡Qué griten esta ignominia!
Somos diez mil manos
menos que no producen.
¿Cuántos somos en toda la patria?
La sangre del compañero Presidente
golpea más fuerte que bombas y metrallas.
Así golpeará nuestro puño nuevamente.

Canto, qué mal me sales
cuando tengo que cantar espanto.
Espanto como el que vivo
como el que muero, espanto.
De verme entre tantos y tantos
momentos de infinito
en que el silencio y el grito
son las metas de este canto.
Lo que veo nunca vi.
Lo que he sentido y lo que siento
harán brotar el momento…

Wir sind Fünftausend hier
in diesem kleinen Teil der Stadt.
Wir sind Fünftausend.
Wieviele sind wir insgesamt,
in den Städten und im ganzen Land?
Nur hier,
zehntausend Hände, die säen
und die Fabriken am Laufen halten.
Wieviel Menschheit
mit Hunger, Kälte, Panik, Schmerz,
moralischem Druck, Angst und Irrsinn.

Sechs von uns sind verloren gegangen,
in den Raum der Sterne.
Einer tot, einer verprügelt, wie ich es nie für möglich gehalten hätte,
dass man ein menschliches Wesen so schlagen kann.
Die anderen Vier wollten sich von
allen Ängsten befreien,
einer sprang ins Leere,
ein anderer schlug seinen Kopf gegen eine Wand,
aber alle mit dem Blick fest auf den Tod gerichtet.
Welchen Schrecken verbreitet das Antlitz des Faschismus!
Sie führen ihre Pläne mit einer gerissenen Präzision aus
ohne sich um irgendetwas Gedanken zu machen.
Das Blut ist für sie wie Medaillen.
Das Abschlachten ist ein heldenhafter Akt.
Ist das die Welt, die Du erschaffen hast, mein Gott?
Hierfür Deine sieben Tage voller Staunen und Arbeit?
Innerhalb dieser vier Wände existiert nur eine Zahl, die nicht vorankommt.
Die sich langsam immer mehr den Tod wünschen wird.

Aber plötzlich meldet sich mein Gewissen
und ich sehe dieses Meer ohne Herzschlag
und ich sehe den Pulsschlag der Maschinen
und die Militärs, die ihr Matronengesicht zeigen,
voller Süße.
Und Mexiko, Kuba und die Welt?
Sie sollen diese Schmach herausschreien!
Wir sind zehntausend Hände weniger,
die nichts mehr produzieren.
Wieviele sind wir im ganzen Vaterland?
Das Blut des Genossen Präsidenten
schlägt stärker als Bomben und Maschinengewehre.
So wird auch unsere Faust wieder schlagen.

Lied, wie schlecht gelingst Du mir
wenn ich den Schrecken singen muss.
Schrecken wie der, den ich lebe,
wie der, den ich sterbe, Schrecken.
Mich zwischen so vielen und vielen
Momenten der Unendlichkeit zu sehen
in denen die Stille und der Schrei
die Ziele dieses Liedes sind.
Was ich sehe, habe ich nie zuvor gesehen.
Was ich gefühlt habe und was ich fühle,
wird den Moment sprießen lassen…

Manifiesto/Manifest

Yo no canto por cantar
ni por tener buena voz,
canto porque la guitarra
tiene sentido y razón.

Tiene corazón de tierra
y alas de palomita,
es como el agua bendita,
santigua glorias y penas.

Aquí se encajó mi canto,
como dijera Violeta,
guitarra trabajadora
con olor a primavera.

Que no es guitarra de ricos
ni cosa que se parezca.
Mi canto es de los andamios
para alcanzar las estrellas.

Que el canto tiene sentido
cuando palpita en las venas…
del que morirá cantando,
… las verdades verdaderas.

No las lisonjas fugaces
ni las famas extranjeras
sino el canto de una lonja
hasta el fondo de la tierra.

Ahí donde llega todo
y donde todo comienza,
canto que ha sido valiente,
siempre será canción nueva,
siempre será canción nueva,
siempre será canción nueva…

Ich singe nicht bloß, um zu singen
Auch nicht, weil ich eine gute Stimme habe,
Ich singe, weil die Gitarre
Recht hat und Sinn macht.

Sie hat ein Herz aus Erde
Und die Flügel eines Täubchens,
Sie ist wie geweihtes Wasser,
Weiht Ruhm und Leid.

Hier passt mein Gesang,
Wie Violeta sagen würde,
Arbeitsame Gitarre
Mit dem Geruch von Frühling.

Es ist keine Gitarre der Reichen
Und auch nichts, das so aussieht.
Mein Gesang passt zu den Baugerüsten,
Um die Sterne zu erreichen.

Auf daß der Gesang Sinn macht,
Wenn er in den Venen pulsiert…
Dessen, der singend sterben wird,
…die wahrhaftigen Wahrheiten singend.

Nicht die flüchtigen Schmeicheleien
Noch der Ruhm im Ausland
Sondern der Gesang dieses Streifen Lands
Bis in die Tiefe der Erde.

Dort, wo alles ankommt
Und wo alles beginnt,
Gesang, der mutig war,
Wird immer ein neues Lied sein,
Wird immer ein neues Lied sein,
Wird immer ein neues Lied sein…

Nueva Canción (wörtlich ‚Neues Lied‘) ist eine Form des politischen Lieds aus Lateinamerika dessen herausragendsten Vertreter in Chile Victor Jara und Violeta Parra waren.

Die letzten Worte Salvador Allendes

Am 11. September 1973 hielt der chilenische Präsident, Salvador Allende, im bombardierten und beschossenen Amtssitz La Moneda seine letzte Rede.

Salvador Allende am 11. September 1973, 11.00 Uhr:

„Es ist sicherlich das letzte Mal, dass ich mich an euch wende. Die Luftstreitkräfte haben die Sendeanlagen von Radio Portales und Radio Corporacion bombardiert. Meine Worte sind nicht von Bitternis geprägt, sondern von Enttäuschung. Sie sind auch die moralische Züchtigung derjenigen, die den Eid, den sie geleistet haben, gebrochen haben: Soldaten Chiles, amtierende Oberbefehlshaber und Admiral Merino, der sich selbst ernannt hat, der verachtungswürdige General Mendoza, der noch gestern der Regierung seine Treue und Loyalität bezeugte und sich ebenfalls selbst zum Generaldirektor der Carabineros ernannt hat. Angesichts solcher Tatsachen kann ich den Werktätigen nur eines sagen: Ich werde nicht zurücktreten. In eine historische Situation gestellt, werde ich meine Loyalität gegenüber dem Volk mit meinem Leben bezahlen.

Und ich kann euch versichern, dass ich die Gewissheit habe, dass nichts verhindern kann, dass die von uns in das edle Gewissen von Tausenden und Abertausenden Chilenen ausgebrachte Saat aufgehen wird. Sie haben die Gewalt, sie können zur Sklaverei zurückkehren, aber man kann weder durch Verbrechen noch durch Gewalt die gesellschaftlichen Prozesse aufhalten. Die Geschichte gehört uns, es sind die Völker, die sie machen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich möchte euch danken für die Loyalität, die ihr immer bewiesen habt, für das Vertrauen, das ihr in einen Mann gesetzt habt, der nur der Dolmetscher der großen Bestrebungen nach Gerechtigkeit war, der sich in seinen Erklärungen verpflichtet hat, die Verfassung und das Gesetz zu respektieren, und der seiner Verpflichtung treu war. Dies sind die letzten Augenblicke, in denen ich mich an euch wenden kann, damit ihr die Lehren aus den Ereignissen ziehen könnt.

Das Auslandskapital, der mit der Reaktion verbündete Imperialismus haben ein solches Klima geschaffen, dass die Streitkräfte mit ihren Traditionen brechen, mit den Traditionen, die ihnen von General Schneider gelehrt und von Kommandant Araya bekräftigt wurden. Beide wurden Opfer derselben Gesellschaftsschicht, der gleichen Leute, die heute zu Hause sitzen in Erwartung, durch Mittelsmänner die Macht zurückzuerobern, um weiterhin ihre Profite und ihre Privilegien zu verteidigen.

Ich wende mich vor allem an die bescheidene Frau unserer Erde, an die Bäuerin, die an uns glaubte, an die Arbeiterin, die mehr arbeitete, an die Mutter, die unsere Fürsorge für die Kinder kannte. Ich wende mich an die Angehörigen der freien Berufe, die eine patriotische Verhaltensweise zeigten, an diejenigen, die vor einigen Tagen gegen den Aufstand kämpften, der von den Berufsvereinigungen, den Klassenvereinigungen angeführt wurde. Auch hierbei ging es darum, die Vorteile zu verteidigen, die die kapitalistische Gesellschaft einer kleinen Anzahl der Ihrigen bietet.

Ich wende mich an die Jugend, an diejenigen, die gesungen haben, die ihre Freude und ihren Kampfgeist zum Ausdruck brachten. Ich wende mich an den chilenischen Mann, an den Arbeiter, an den Bauern, an den Intellektuellen, an diejenigen, die verfolgt werden, denn der Faschismus zeigt sich bereits seit vielen Stunden in unserem Land: in den Terrorattentaten, in den Sprengungen von Brücken und Eisenbahnen, in der Zerstörung von Öl- und Gasleitungen. Angesichts des Schweigens (…) (von Bombendetonationen übertönt) dem sie unterworfen waren. Die Geschichte wird über sie richten.

Radio Magallanes wird sicherlich zum Schweigen gebracht werden, und der ruhige Ton meiner Stimme wird euch nicht mehr erreichen. Das macht nichts, ihr werdet sie weiter hören, ich werde immer mit euch sein, und ich werde zumindest die Erinnerung an einen würdigen Menschen hinterlassen, der loyal war hinsichtlich der Loyalität zu den Werktätigen. Das Volk muss sich verteidigen, aber nicht opfern. Das Volk darf sich nicht unterkriegen oder vernichten lassen, es darf sich nicht demütigen lassen.

Werktätige meines Vaterlandes! Ich glaube an Chile und sein Schicksal. Es werden andere Chilenen kommen. In diesen düsteren und bitteren Augenblicken, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald, erneut die großen Straßen auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht.

Es lebe Chile! Es lebe das Volk! Es leben die Werktätigen! Das sind meine letzten Worte, und ich habe die Gewissheit, dass mein Opfer nicht vergeblich sein wird. Ich habe die Gewissheit, dass es zumindest eine moralische Lektion sein wird, die den Treuebruch, die Feigheit und den Verrat verurteilt.“