Archiv der Kategorie: Von der Eiszeit bis 1897

Der „Dustre Keller“

oder frei nach Karl May: In den Schluchten des Kiezes

Als am Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 20.000 Jahren, die Gletscher abschmolzen bildete sich das Berliner Urstromtal, das von der Barnimer Hochfläche im Norden und der Teltower Hochfläche im Süden eingefasst wird.

Am Rand der Teltow Hochfläche bildeten sich durch Auswaschungen kleine Schluchten. Eine davon ist der Dustre Keller.

In den Plänen von Berlin findet sich der „Dustre Keller“ und später auch die danebenliegende Sandgrube seit 1802. Erst als geologische Gegebenheit, eben als Schlucht, aber schon 1835 wechselt der Name von der Schlucht zu der nach ihr benannten Gaststätte. 1871 verschwindet der Name aus dem Stadtplan aber sowohl der Dustre Keller als auch die Sandgrube sind noch zu sehen.

1802 Plan von Berlin nebst den umliegenden Gegenden
1835 Grundriss von Berlin mit nächster Umgegend
1849 Grundriss von Berlin mit nächster Umgegend
1856 Situations-Plan der Haupt- und Residenzstadt Berlin mit nächster Umgebung
1857 Berlin und Charlottenburg mit nächster Umgebung
1871 Grundriss von Berlin

Schriftlich wird der „Düstere Keller“ 1834 im „Neuesten Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam“ erwähnt:

Düstere Keller (der). Mit diesem Namen bezeichnet man eine mit Buschwerk umgebene Vertiefung vor dem Halleschen Thore, links am Weg nach Templow und gegenüber dem Kreuzberge und Tivoli. Zugleich befindet sich eine Gastwirthschaft (Besitzer Herr Bergemann) hier, die man in der neuesten Zeit mit einigen Anlagen und Spaziergängen umgeben hat, welche dem dustern Keller einen heitern Anstrich verleihen, und der schönen Ansicht wegen, die man auf dem höchsten Punkte der Berglehne, auch am langen Weinberge genannt, von der Hauptstadt erhält, wohl eines Besuches werth ist.

Die 1840 von Heinrich Hintze geschaffene kolorierte Lithografie „Berlin vom Dusteren Keller aus gesehen“ zeigt eine Gesamtansicht aus südlicher Richtung. Im „Dusteren Keller“ rechts im Bild Personen beim Kegeln. Mittig spielende Kinder, die einen Drachen bauen und links im Vordergrund Personen bei der Heuernte. Im Hintergrund die Stadt.

Auch Ernst Fidicin schreibt 1843 in seinem Buch „Berlin historisch und topographisch dargestellt“:

Von der Tempelhoferstraße führt die Bergmannsstraße am Fuße der Tempelhofer Berge zur Hasenheide hin. Unter diesem Namen versteht man denjenigen Theil der sich von Cöpenick in einiger Entfernung von der Spree zur Havel hinziehenden Hügelreihe, so weit sie die Tempelhofer Feldmark berührt, also von den Rollbergen an der Mittenwalder Poststraße bis etwa zur Potsdamer Eisenbahnlinie. Für die Einwohner Cölns hatten diese Berge, wegen ihrer Lehmgruben, schon im 13. Jahrhundert Wichtigkeit; wie sich denn auch bei derselben eine Ziegelei befand, die im Jahre 1290 den grauen Mönchen zur Erbauung ihres Klosters mit der Kirche von einem Ritter v. Nybade geschenkt ward, und der sogenannte dustre Keller, die älteste Lehmgrube, die vielleicht zu den ersten Hütten Cölns das Material lieferte, gewesen zu sein scheint. Im 16. Jahrhundert befanden sich auf diesen Höhen Weinberge des Kurfürsten und cölnischer Bürger, welche letzteren der Gemeinde Tempelhof dafür Zins geben mußten. Sie gingen nach und nach ein und gegenwärtig befinden sich daselbst einige Gastwirthschaften, eine chemische Fabrik, eine Meierei, der Dreifaltigkeits-Kirchhof mit dem Denkmale der Fürstin v. Sacken und der Gruft Schleiermachers und der neue Luisenstädtische Kirchhof.

Adolph von Menzel malte 1846 das „Gewitter am Tempelhofer Berge“. Auch hier findet in der Mitte des Bildes den „Dustren Keller“, der seit 1810 zu den von Fidicin erwähnten „Gastwirthschaften“ gehörte.

Doch auch in der Gegenwart finden sich Artikel, die den „Dustren Keller“ zum Inhalt haben. So zum Beispiel in einem Artikel über Friedrich Ludwig Jahn in der Beilage der Berliner Morgenpost:

Man schloss den Bund im Geheimen, im Jahr 1811, kommunizierte in Geheimschrift. Der Treffpunkt: Die Kneipe „Dusterer Keller“. Sie lag in der „Schlucht am Tempelhofer Berg“, wie der Ort damals hieß, dort, wo heute die „Haifischbar“ Cocktails serviert, an der Ecke Nostitz- / Arndt-Straße, ganz in der Nähe des Chamissoplatzes. Im Dusteren Keller gab es nur Mollen, hier und da auch noch ein Glas Wein von den letzten Weinstöcken am Kreuzberg gleich nebenan. Intellektuelle trafen sich dort, Adalbert von Chamisso, Willibald Alexis, Ernst Moritz Arndt, Ernst Fidicin. Nostitz, der General, soll hier inkognito Karten gespielt haben. Wirt des Lokals war Caspar Bergmann (oft auch „Bergemann“). Nach all jenen Zeitgenossen heißen heute die Straßen ringsherum im „Chamisso-Kiez“.

(Quelle: Berliner Morgenpost/Berliner Illustrirte Zeitung, 12. Oktober 2024)

Im Internet findet man auch Berichte über Johann Caspar Bergemann:

Er eröffnete um das Jahr 1810 „in der Schlucht am Tempelhofer Berg“ eine Gastwirtschaft. Die Örtlichkeit bezeichnet ungefähr die heutige Ecke Nostitz- und Arndtstraße. Das Lokal nannte sich „Dusterer Keller“ und war in seinen Anfangsjahren ein Treffpunkt von Literaten und Intellektuellen. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Willibald Alexis und Adalbert von Chamisso. Beide sind ebenso Namensgeber von Straßen im Kiez, genauso wie Karl Friedrich Friesen. Der war wiederum Mitglied im „Deutschen Bund“, der im „Dusteren Keller“ gedankliche und konkrete Widerstandsaktivitäten gegen die damalige französische Besatzung Preußens ausheckte. Mit dabei in diesem Kreis war auch „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn.

Auch Caspar Bergemann verschwand irgendwann in der Vergangenheit. Der „Dustere Keller“ blieb bis 1875 an seiner ursprünglichen Stelle. Später eröffnete ein Wirtshaus „Zum Dustern Keller“ an der heutigen Bergmannstraße 107. Er spielte eine Rolle in den Anfangsjahren des Berliner und deutschen Fußballs.

(Quelle: Bergmann war eine Frau)

Gründungsversammlung des Verbandes Deutscher Ballspielvereine 1897

Im „Dustren Keller“ in der Bergmannstraße, der Vereinskneipe des BFC Preussen, gründen die Vertreter von sechs Berliner Vereinen am 11. September 1897 den Verband Deutscher Ballspielvereine (VDB), der sich später in Verband Berliner Ballspielvereine umbenennt und als Berliner Fußball-Verband bis heute existiert.

(Quelle: FUSSBALL ROUTE BERLIN)

Der Dustre Keller ist verschwunden, zugeschüttet und überbaut und auch „Zum Dustren Keller“ ist verschwunden, wie so viele Kneipen im Kiez. Heute erinnert nur noch eine Informationstafel der sogenannten „Fußball Route Berlin“ an ihn.

Zum Schluss noch eine der wenigen literarischen Erwähnungen des Dustren Kellers aus dem im Jahr 1545 spielenden Schauerroman „Das Weib aus dem düstern Keller“ von August Brass (1844):

Überlassen wir es nun dem ehrsamen Krämer, mit seinem unversteuerten Weine die Beamten zu hintergehen, und folgen wir lieber dem Wege der beiden Wanderer, welche die Neugierde des Herrn Thaus in einem so hohen Grade rege gemacht hatten. Schneller als Jene vorwärts schreitend, hatten sie in kurzer Zeit die waldige Hügelkette erreicht, welche vor dem Teltowschen Thor anfangend, schon damals unter dem Namen der Tempelhoffschen Berge bekannt war.

„Wir sind zur Stelle Herr Graf!“ sagte derjenige, welcher die Laterne trug, und den der Krämer vorher für den Juden Lippold erkannt hatte; „dies ist der düstere Keller. Jetzt folgt mir hinab in die Schlucht; aber seht euch vor, der Boden ist steil und abschüssig, und ein Fall in die Tiefe könnte Euch leicht beschädigen.

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