Archiv der Kategorie: Auf dem Tempelhofer Berge

Der „Dustre Keller“

oder frei nach Karl May: In den Schluchten des Kiezes

Als am Ende der letzten Eiszeit, vor etwa 20.000 Jahren, die Gletscher abschmolzen bildete sich das Berliner Urstromtal, das von der Barnimer Hochfläche im Norden und der Teltower Hochfläche im Süden eingefasst wird.

Am Rand der Teltow Hochfläche bildeten sich durch Auswaschungen kleine Schluchten. Eine davon ist der Dustre Keller.

In den Plänen von Berlin findet sich der „Dustre Keller“ und später auch die danebenliegende Sandgrube seit 1802. Erst als geologische Gegebenheit, eben als Schlucht, aber schon 1835 wechselt der Name von der Schlucht zu der nach ihr benannten Gaststätte. 1871 verschwindet der Name aus dem Stadtplan aber sowohl der Dustre Keller als auch die Sandgrube sind noch zu sehen.

1802 Plan von Berlin nebst den umliegenden Gegenden
1835 Grundriss von Berlin mit nächster Umgegend
1849 Grundriss von Berlin mit nächster Umgegend
1856 Situations-Plan der Haupt- und Residenzstadt Berlin mit nächster Umgebung
1857 Berlin und Charlottenburg mit nächster Umgebung
1871 Grundriss von Berlin

Schriftlich wird der „Düstere Keller“ 1834 im „Neuesten Conversations-Handbuch für Berlin und Potsdam“ erwähnt:

Düstere Keller (der). Mit diesem Namen bezeichnet man eine mit Buschwerk umgebene Vertiefung vor dem Halleschen Thore, links am Weg nach Templow und gegenüber dem Kreuzberge und Tivoli. Zugleich befindet sich eine Gastwirthschaft (Besitzer Herr Bergemann) hier, die man in der neuesten Zeit mit einigen Anlagen und Spaziergängen umgeben hat, welche dem dustern Keller einen heitern Anstrich verleihen, und der schönen Ansicht wegen, die man auf dem höchsten Punkte der Berglehne, auch am langen Weinberge genannt, von der Hauptstadt erhält, wohl eines Besuches werth ist.

Die 1840 von Heinrich Hintze geschaffene kolorierte Lithografie „Berlin vom Dusteren Keller aus gesehen“ zeigt eine Gesamtansicht aus südlicher Richtung. Im „Dusteren Keller“ rechts im Bild Personen beim Kegeln. Mittig spielende Kinder, die einen Drachen bauen und links im Vordergrund Personen bei der Heuernte. Im Hintergrund die Stadt.

Auch Ernst Fidicin schreibt 1843 in seinem Buch „Berlin historisch und topographisch dargestellt“:

Von der Tempelhoferstraße führt die Bergmannsstraße am Fuße der Tempelhofer Berge zur Hasenheide hin. Unter diesem Namen versteht man denjenigen Theil der sich von Cöpenick in einiger Entfernung von der Spree zur Havel hinziehenden Hügelreihe, so weit sie die Tempelhofer Feldmark berührt, also von den Rollbergen an der Mittenwalder Poststraße bis etwa zur Potsdamer Eisenbahnlinie. Für die Einwohner Cölns hatten diese Berge, wegen ihrer Lehmgruben, schon im 13. Jahrhundert Wichtigkeit; wie sich denn auch bei derselben eine Ziegelei befand, die im Jahre 1290 den grauen Mönchen zur Erbauung ihres Klosters mit der Kirche von einem Ritter v. Nybade geschenkt ward, und der sogenannte dustre Keller, die älteste Lehmgrube, die vielleicht zu den ersten Hütten Cölns das Material lieferte, gewesen zu sein scheint. Im 16. Jahrhundert befanden sich auf diesen Höhen Weinberge des Kurfürsten und cölnischer Bürger, welche letzteren der Gemeinde Tempelhof dafür Zins geben mußten. Sie gingen nach und nach ein und gegenwärtig befinden sich daselbst einige Gastwirthschaften, eine chemische Fabrik, eine Meierei, der Dreifaltigkeits-Kirchhof mit dem Denkmale der Fürstin v. Sacken und der Gruft Schleiermachers und der neue Luisenstädtische Kirchhof.

Adolph von Menzel malte 1846 das „Gewitter am Tempelhofer Berge“. Auch hier findet in der Mitte des Bildes den „Dustren Keller“, der seit 1810 zu den von Fidicin erwähnten „Gastwirthschaften“ gehörte.

Doch auch in der Gegenwart finden sich Artikel, die den „Dustren Keller“ zum Inhalt haben. So zum Beispiel in einem Artikel über Friedrich Ludwig Jahn in der Beilage der Berliner Morgenpost:

Man schloss den Bund im Geheimen, im Jahr 1811, kommunizierte in Geheimschrift. Der Treffpunkt: Die Kneipe „Dusterer Keller“. Sie lag in der „Schlucht am Tempelhofer Berg“, wie der Ort damals hieß, dort, wo heute die „Haifischbar“ Cocktails serviert, an der Ecke Nostitz- / Arndt-Straße, ganz in der Nähe des Chamissoplatzes. Im Dusteren Keller gab es nur Mollen, hier und da auch noch ein Glas Wein von den letzten Weinstöcken am Kreuzberg gleich nebenan. Intellektuelle trafen sich dort, Adalbert von Chamisso, Willibald Alexis, Ernst Moritz Arndt, Ernst Fidicin. Nostitz, der General, soll hier inkognito Karten gespielt haben. Wirt des Lokals war Caspar Bergmann (oft auch „Bergemann“). Nach all jenen Zeitgenossen heißen heute die Straßen ringsherum im „Chamisso-Kiez“.

(Quelle: Berliner Morgenpost/Berliner Illustrirte Zeitung, 12. Oktober 2024)

Im Internet findet man auch Berichte über Johann Caspar Bergemann:

Er eröffnete um das Jahr 1810 „in der Schlucht am Tempelhofer Berg“ eine Gastwirtschaft. Die Örtlichkeit bezeichnet ungefähr die heutige Ecke Nostitz- und Arndtstraße. Das Lokal nannte sich „Dusterer Keller“ und war in seinen Anfangsjahren ein Treffpunkt von Literaten und Intellektuellen. Zu ihnen gehörten zum Beispiel Willibald Alexis und Adalbert von Chamisso. Beide sind ebenso Namensgeber von Straßen im Kiez, genauso wie Karl Friedrich Friesen. Der war wiederum Mitglied im „Deutschen Bund“, der im „Dusteren Keller“ gedankliche und konkrete Widerstandsaktivitäten gegen die damalige französische Besatzung Preußens ausheckte. Mit dabei in diesem Kreis war auch „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn.

Auch Caspar Bergemann verschwand irgendwann in der Vergangenheit. Der „Dustere Keller“ blieb bis 1875 an seiner ursprünglichen Stelle. Später eröffnete ein Wirtshaus „Zum Dustern Keller“ an der heutigen Bergmannstraße 107. Er spielte eine Rolle in den Anfangsjahren des Berliner und deutschen Fußballs.

(Quelle: Bergmann war eine Frau)

Gründungsversammlung des Verbandes Deutscher Ballspielvereine 1897

Im „Dustren Keller“ in der Bergmannstraße, der Vereinskneipe des BFC Preussen, gründen die Vertreter von sechs Berliner Vereinen am 11. September 1897 den Verband Deutscher Ballspielvereine (VDB), der sich später in Verband Berliner Ballspielvereine umbenennt und als Berliner Fußball-Verband bis heute existiert.

(Quelle: FUSSBALL ROUTE BERLIN)

Der Dustre Keller ist verschwunden, zugeschüttet und überbaut und auch „Zum Dustren Keller“ ist verschwunden, wie so viele Kneipen im Kiez. Heute erinnert nur noch eine Informationstafel der sogenannten „Fußball Route Berlin“ an ihn.

Zum Schluss noch eine der wenigen literarischen Erwähnungen des Dustren Kellers aus dem im Jahr 1545 spielenden Schauerroman „Das Weib aus dem düstern Keller“ von August Brass (1844):

Überlassen wir es nun dem ehrsamen Krämer, mit seinem unversteuerten Weine die Beamten zu hintergehen, und folgen wir lieber dem Wege der beiden Wanderer, welche die Neugierde des Herrn Thaus in einem so hohen Grade rege gemacht hatten. Schneller als Jene vorwärts schreitend, hatten sie in kurzer Zeit die waldige Hügelkette erreicht, welche vor dem Teltowschen Thor anfangend, schon damals unter dem Namen der Tempelhoffschen Berge bekannt war.

„Wir sind zur Stelle Herr Graf!“ sagte derjenige, welcher die Laterne trug, und den der Krämer vorher für den Juden Lippold erkannt hatte; „dies ist der düstere Keller. Jetzt folgt mir hinab in die Schlucht; aber seht euch vor, der Boden ist steil und abschüssig, und ein Fall in die Tiefe könnte Euch leicht beschädigen.

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Entwicklung der Wohnbebauung – Architekten

HausnummerJahrArchitekt(en)
Fidicinstr. 5, 5a1888Wilhelm Klopsch, Emil Arlt
Fidicinstr. 38, 38a1889Carl Jung, Ludwig Dolz
Fidicinstr. 391889Carl Jung, Ludwig Dolz
Fidicinstr. 25, 25a1889W. Gericke, Friedrich Kaschke
Fidicinstr. 6, 6a1889Wilhelm Klopsch, R. Crampe
Fidicinstr. 7, 7a1889Wilhelm Klopsch, R. Crampe
Fidicinstr. 8, 8a1889Wilhelm Klopsch, H. Helms
Fidicinstr. 281890H. Baars
Fidicinstr. 301890Ludwig Dolz
Fidicinstr. 41890Wilhelm Klopsch
Fidicinstr. 29, 29a1890Carl Sievert
Fidicinstr. 111891Carl Jung
Fidicinstr. 121891Carl Jung
Fidicinstr. 311893C. Müller
Fidicinstr. 271893H. Baars
Fidicinstr. 261893W. Adler
Fidicinstr. 32, 32a1894August Beckmann
Fidicinstr. 35, 361894August Beckmann
Fidicinstr. 171894D. Joseph, G. Lücken
Fidicinstr. 181894J. Bering, H. Schwartz
Fidicinstr. 131894Rudolf Schönner
Fidicinstr. 221894Salow, Möller & Stegemann
Fidicinstr. 331895August Beckmann
Fidicinstr. 341895Fr. A. Bergert
Fidicinstr. 191895Heinrich Peglau, Schiller
Fidicinstr. 201895Heinrich Peglau, Schiller
Fidicinstr. 211895Heinrich Peglau, Schiller
Fidicinstr. 231896Fr. A. Wankel
Fidicinstr. 141896Gustav Wehye
Fidicinstr. 151896Gustav Wehye
Fidicinstr. 161897J. Bering
Leider sind nicht von allen Häusern die Architekten bekannt.

Verschwundene Orte: Zur Sonne

Danke an Siggi, der mir die Bilder und Artikel zur Verfügung gestellt hat!

Einer der leider verschwundenen Fixpunkte in der Fidicinstraße war das Lokal „Zur Sonne“. Bierkneipe, Drehort für Spiel- und Fernsehfilme, Versammlungsort der SPD-Abteilung, Bühne der Travestieshows der „Sunny Boys“: Kreuzberger Vielfalt.

Diddi und Siggi hinter dem Tresen (Quelle: BZ am Sonntag, 29.7.2007: „Auch die Bierstube „Zur Sonne lädt regelmäßig zu Veranstaltungen ein, wie den Travestie-Shows und der Weihnachtsfeier im Sommer. Außerdem haben hier schon Günter Pfitzmann, Anita Kupsch, Diether Krebs und Loriot gedreht. Und bestimmt das eine oder andere Bierchen getrunken, wenn die Scheinwerfer ausgingen.“

Für Dreharbeiten wurde auch gerne einmal der Name geändert:

Nicht immer war die „Sonne“ selbst der Drehort, diente aber der Filmcrew als Standort, so wie bei den Dreharbeiten zu Loriots „Pappa ante Portas“ 1991:

Loriot
Evelyn Hamann
Dreharbeiten in der Kopischstraße

Doch Diddis und Siggis Leidenschaft waren ihre Gäste. Und die vielen Feiern mit Ihnen, ob Travestie-Show, Weihnachtsessen oder Silvester.

Silvesterfeier vor der „Sonne“

Die „Sonne“ existiert nicht mehr und mit ihr ist auch diese Art von Kreuzberger Vielfalt untergegangen. Leider verstarb auch Diddi viel zu früh. Was bleibt ist die Erinnerung an einen Ort, der beispielhaft für das bunte und tolerante Kreuzberg der achtziger und neunziger Jahre war.

Diddi und Siggi 2004

Am 30.6.2004 erschien ein Artikel von Hans W. Korffmann in der FR:

Strassen-Schmuck

Ist vor der Fidicin 4 ein Kunstwerk gewachsen?

„Meiner Meinung nach ist alles, jede Form, jedes Stückchen Natur, Tiere, Menschen, Kieselsteine, Muscheln, alles, was einem gefällt, geeignet, um eine Skulptur zu schaffen.“
Henry Moore

„Dada ist für den Unsinn, das bedeutet nicht Blödsinn. Dada ist unsinnig wie die Natur und das Leben. Dada ist für die Natur und gegen die Kunst. Dada will die Natur, jedem Ding seinen wesentlichen Platz geben.“
Hans Arp

„Das Ziel der Kunst ist nicht, die Wirklichkeit abzubilden, sondern eine Wirklichkeit von gleicher Intensität zu schaffen.“
Alberto Giacometti

„Die Skulptur ist die organische Figuration der Materie in ihrer sinnlich-räumlichen Totalität.“
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Erste Flugversuche

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Fidicinstraße 360°

Aufgenommen am 24.6.2024 mit einer GoPro MAX.

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Kamerastandorte

Fidicin 1/Ecke Mehringdamm

Fidicin 3

Fidicin 41

Fidicin 6

Fidicin 36

Fidicin 13

Fidicin 16

Fidicin 20

Fidicin 24

Der Nachwuchs verlässt das Kinderzimmer

(Zum Vergrößern anklicken)

Der Namensgeber

Ernst Fidicin wurde am 27. April 1802 als Sohn eines invalide gewordenen Unteroffiziers und späteren Zwirnmachers in Potsdam geboren. Seine erste Ausbildung genoss er in der höheren Bürger- und dann in der »großen Schule«, dem später zum Gymnasium umgestalteten Lyceum. Nach dem Wunsch des Vaters sollte er Theologie studieren. Die Neigung des sehr begabten

Jungen lag jedoch schon früh bei der Altertumskunde; außerdem reichte für ein Theologiestudium das Geld nicht. Er musste zu- nächst die Laufbahn eines mittleren Beamten einschlagen und wurde am 9. März 1822 am damaligen Stadtgericht in Potsdam verpflichtet, wo er seine Grundausbildung absolvierte. 1828 wurde Fidicin Aktuarius beim Königlichen Kammergericht in der Berliner Lindenstraße. In der Hypotheken- und Lehnsabteilung fand er in den vielfältigen handschriftlichen Urkundenbüchern der brandenburgischen Lehnskanzlei reichhaltiges Material für seine historischen Forschungen. 1829 übernahm er die Stelle eines Registrators, später die eines Bürovorstehers der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Anfang 1847 wurde ihm das Berliner Stadtarchiv übertragen, für das, wie Ernst Kaeber (1882–1961) schreibt, mit Fidicin eine neue Zeit begann. Der Potsdamer, der auch später immer wieder den 1837 gegründeten Verein für Geschichte der Mark Brandenburg besuchte, war nun zum Berliner geworden. Er hat die Stadt bis zu seinem Tode nicht wieder verlassen. Schon 1837 erschien sein erstes bedeutendes Werk unter dem Titel »Historisch-Diplomatische Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin«. Die ersten drei Bände dieses Urkundenbuches enthalten neben den vom Verfasser gesammelten Regesten und Urkunden eine der wichtigsten Quellen für die Rechts- und Verfassungsgeschichte, das 1397 zusammengetragene und verloren geglaubte Berliner Stadtbuch. Nach mehr als 100 Jahren hat es Fidicin in der städtischen Bibliothek zu Bremen wiedergefunden.

Fidicin war längst als guter Kenner der Quellen und der Geschichte Brandenburgs bekannt geworden. Nachdem er 1856 eine Neuausgabe des Landbuches Karl IV. herausgebracht hatte, erschienen 1857 und 1860 »Die Territorien der Mark Brandenburg«, ein Werk, das nach dem Urteil von Experten wohl noch heute für jeden Lokalforscher gültig und unentbehrlich ist. Nicht zuletzt wird in seiner Bibliographie deutlich, dass von Anfang an die Erforschung der Quellen zur Geschichte der Mark Brandenburg und Berlins in seiner Arbeit untrennbar verbunden waren. Nach Gerd Heinrich ist er der letzte Berliner Stadtarchivar gewesen, der es vermochte, gleichzeitig Fragen der Berliner und brandenburgischen Geschichte zu bearbeiten. In die Geschichte eingegangen ist allerdings auch eine »arge literarische Fehde« mit dem Historiker Karl Friedrich von Kloeden (1786–1856) wegen der Gründungszeit Berlins. In diesem Streit, so Heinrich, vertrat Fidicin zweifellos »den besonneneren und quellennäheren Standpunkt«.

Leben und Werk von Ernst Fidicin sind untrennbar verbunden mit der Geschichte und dem Wirken des Vereins für die Geschichte Berlins. Er gehörte zu jenen Persönlichkeiten, die sich am 28. Januar 1865 im Café Royal Unter den Linden Nr. 33 versammelten, als sich dieser heute wohl traditionsreichste Berliner Geschichtsverein konstituierte. Ein Bericht über die Gründungsversammlung von Alexis Schmidt erschien am 31. Januar auf einer ganzen Großfolioseite in der Spenerschen Zeitung »Berlinische Nachrichten von Staats- und Gelehrten Sachen«. Ernst Kaeber irrte wohl, als er in seinen »Erinnerungen an das Stadtarchiv Berlin« bemerkte, dass Fidicin nicht zu den Gründern des Vereins gehörte. Am 15. Februar 1865, nur zwei Wochen nach der Gründung des Vereins, hielt Fidicin den ersten Vortrag zum Thema: »Die bisherige Geschichtsschreibung Berlins«; insgesamt hat er allein in diesem Verein elf Vorträge gehalten. Nach seiner Pensionierung 1878 bis zu seinem Tode war er Ehrenvorsitzender des Vereins. Herausgegeben hat er im Verein so bekannte Große Begabung und Willenskraft, Fleiß und Bescheidenheit prägten das Leben von Ernst Fidicin, das er voll und ganz in den Dienst seiner Archiv- und Forschungsarbeit stellte. Es wird berichtet, dass er zweimal das ehrenvolle Angebot abgelehnt habe, in das Königliche Archiv als Archivar einzutreten. Er wollte den Aufbau des Stadt-Archivs nicht gefährden. Oberbürgermeister Krausnick (1797–1882), der Fidicin seinen »ältesten Schul- und Jugendfreund« nannte, hat dessen Arbeit besonders gefördert.

Am 9. März 1872 wurde er für 50 Jahre Tätigkeit in der Verwaltung Potsdams und Berlins geehrt. Die vom Verein in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste im Bereich der Urkundenforschung und der Geschichtsschreibung Berlins gestiftete Medaille wurde jedoch nicht rechtzeitig fertig. Sie konnte ihm erst am 15. Juni 1872 feierlich übergeben werden. Dazu versammelten sich die Mitglieder märkischer und städtischer Geschichtsvereine an der im Park des Babelsberger Schlosses wiedererrichteten Berliner Gerichtslaube. Kaiser Wilhelm I. überreichte die goldene Medaille und der Vereinsvorsitzende, der Geheime Hofrat Louis Schneider, würdigte den späteren Ehrenvorsitzenden als „geistigen Gründer“ des Vereins. Als Fidicin das Amt des Stadtarchivars mit 76 Jahren 1878 abgab, war Berlin Reichshauptstadt geworden.

Am 19. Dezember 1883 starb Ernst Fidicin. Auf seinem Grabstein auf dem Alten Luisenstädtischen Friedhof am Südstern steht: »Hier ruht in Gott unser geliebter Vater, Schwiegervater und Großvater, der Stadt-Archivar Carl Ernst Fidicin«. Darunter ist der Spruch der goldenen Medaille eingemeißelt: »Was du erforschet, hast du miterlebt«.

Am 24. April 1890 erhielt die Fidicinstraße ihren Namen.

(Quelle: Jutta Schneider, „Carl Ernst Fidicin, Stadtarchivar und Historiograph Berlins“, © Edition Luisenstadt, 1998)

Im Hintergrund der Berolina die Siegessäule, das Brandenburger Tor und das Rote Rathaus. An Ihrem linken Fuß ein Buch mit der Aufschrift „Fidicin“.

Zeitreise Fidicinstraße

Friesenstr. Ecke Fidicinstr. um 1900
Fidicinstr. 4, 1908
Demonstration auf der Fidicinstr. 1929
Mannschaftswagen der Schutzpolizei an der Friesenstr. Ecke Fidicinstr. 1929 (heute Restaurant Z)
Sportfest der SA 1934

Erklärung zur Darstellung des Hakenkreuzes

Luftschutzübung in Berlin, Fidicinstr. Ecke Friesenstr., 20. März 1935: Schutthaufen
simulieren Bombenschäden
Fidicinstr. Ecke Am Tempelhofer Berg 1973 (Photo: Henning Langenheim)
Taxizentrale Ackermann, 1975 (Photo: Sammlung Jürgen Henschel)
Fidicinstr. Ecke Am Tempelhofer Berg Mai 1981 (Photo: Henning Langenheim)
Fidicinstr. 27, 1982 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 8, 1985 (Photo: Peter van Dahlen)
Straßenfest 1988 (Photo: Wolfgang Krolow)
Zur Sonne 1986, (Photo: Sammlung Jürgen Henschel)
Fidicinstr. 7, 2005 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 7, 2005 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 7, 2005 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 11, 2005 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 30, 2005 (Photo: CASH)
Fidicinstr. 30, 2005 (Photo: CASH)
Zur Sonne, 2009
2024
2024
Fidicin 4, 1908 Fidicin 4, 2024
116 Jahre Fidicin 4

Die Hopf’sche Bockbrauerei

Georg Leonard Hopf arbeitete um 1820 in der Habelschen Weinhandlung an der Leipziger Straße als Fassbinder, stieg schnell zum Kellermeister auf, heiratete nach dem frühen Tod des Meisters die traurige Witwe und übernahm den Betrieb. Als das Gespräch in der Schankstube auf das bayerische Bier kam, von dem man erzählte, es sei um vieles besser als das säuerliche Weißbier Berlins, behauptet Hopf: Das kann ich auch! Und braut in einem alten Waschkessel das erste Bockbier Berlins.

Wenig später kauft er Land und zwei Mühlen auf dem Tempelhofer Berge. Am 8.5.1838 findet die Grundsteinlegung statt und in der Folge die Verlegung der Braustätte vom Oranienburger Tor auf das weitläufige Gelände des Tempelhofer Bergs. 1839 eröffnet dort die „Bockbrauerei am Tempelhofer Berg“, eine Brauerei mit Schanklokal. Als er im Mai 1840 das erste Bockbier ausschenkt, strömen die Berliner „in Massen hinaus zum Halleschen Tor auf den kahlen Tempelhofer Berg, um das neue, unbekannte, köstliche Naß“ zu trinken.

Der Schriftsteller Willibald Alexis (1798–1871) schwärmt im Morgenblatt für gebildete Leser: „Es gefiel den Leuten so gut, dass sie nicht wieder aus dem Hause fortzubringen waren. Andere sah man den Heimweg anstatt nach dem Halleschen Thore in gerade umgekehrter Richtung“ antreten, wieder andere soll man „am Morgen in den Gräben gefunden haben“.

Damit hatte er den Beginn der Entwicklung einer der bedeutendsten Industrien Berlins geleistet. Bereits im ersten Jahr betrug der Absatz 4050 Hektoliter und wuchs rasch an. Neben der Herstellung des Bockbiers erfreuten sich die auf dem Gelände stattfindenden Bockbierfeste („Urbock auf dem Tempelhofer Berge“) bei den Berlinern großer Beliebtheit (auch wegen der zum Bockbier gereichten Wurst, die daher den Namen Bockwurst erhielt). Weitere Grundstücke wurden gekauft und Betriebsgebäude zugefügt. Auf dem Gelände gab es nicht nur einen großen Saalbau und eine Ausschankhalle, sondern auch Kegelbahn und Sommerbühne.

Ein Brand zerstörte die Brauerei im Jahr 1842. Es kam zwar zum Wiederaufbau, jedoch starb Georg Leonhard Hopf am 30. April 1844 im Alter von nur 44 Jahren, angeblich an den Folgen der durch die Brandkatastrophe ausgelösten Aufregungen. Die Beisetzung erfolgte in einem Erbbegräbnis auf dem Dreifaltigkeitsfriedhof I vor dem Halleschen Tor.

Marie Hopf und deren Söhne aus erster Ehe, die Gebrüder Deibel, führten die Brauerei bis 1861; dann wurde sie verkauft an den Hotelbesitzer J. F. Ehrenreich, der 1871 die Berliner Bockbier-Brauerei in eine AG umwandelte.

In der Folge wurde die Bockbrauerei mit ihren vielfältigen Unterhaltungsangeboten zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Berliner.

Wesentlich für den Erfolg war auch das Marketing, angefangen mit dem Fass Bockbier, das die Bockbrauerei jährlich dem Reichskanzler Bismarck zukommen ließ.

Quelle: Bismarck-Portefeuille, Herausgegeben von Heinrich von Poschinger, Stuttgart und Leipzig 1898

Dies war sogar eine Meldung in der Tagespresse wert:

Erzgebirgischer Volksfreund vom 21.4.1881

Und auch Bismarcks Antwortschreiben konnten als Werbung genutzt werden.

Quelle: Bismarck-Portefeuille, Herausgegeben von Heinrich von Poschinger, Stuttgart und Leipzig 1898

Aber auch für Bismarcks heftigste Gegener, die Berliner Arbeiterbewegung, waren die Säle der Bockbrauerei ein wichtiger Versammlungsort. August Bebel hielt bei dem Arbeiterfest des Wahlbezirks I und II am 30.9.1890 anlässlich des aufgehobenen Sozialistengesetzes die Hauptrede.

Zudem fanden auf dem Gelände außergewöhnliche Sportveranstaltungen wie z.B. Boxkämpfe im Rahmen der Europameisterschaft und Deutsche Meisterschaften im Halbschwergewicht statt.

Der spätere Reichskanzler, Außenminister und Nobelpreisträger Gustav Stresemann (der auf dem Luisenstädtischen Friedhof beerdigt ist) schrieb 1901 „Die Entwicklung des Berliner Flaschenbiergeschäfts – Inauguraldissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig“ und erwähnte auch die Bockbrauerei:

„Nun wird im Jahre 1838 in Berlin durch den früheren bayrischen Weinküfer Hopf zum ersten Male Bier nach bayrischer Art gebraut und in seinen, am Tempelhofer Berg gelegenen Lokalitäten zum Ausschank gebrächt. Das neue Bier mundet den Berlinern zum großen Teile außerordentlich und findet daher leichten Eingang in den Konsum, verschiedene Braumeister, die anfänglich bei Hopf angestellt waren, machen sich selbständig. Ebenso wie der erste Hersteller des bayrischen Bieres aus einer Weinhandlung hervorgegangen ist, so soll auch in den Weinstuben zuerst das bayrische Bier neben dem Wein eingeführt worden sein. Eine besondere Anziehungskraft übte auf die Berliner die von Hopf seit 1840 eingeführte, auch von Bayern importierte Sitte des „Bock“- Anstiches im Frühjahr aus; bis in die achtziger Jahre war der Bock-Ausschank am Tempelhofer Berg ein Wallfahrtsort für die Berliner und der erste Tag des Bock-Anstiches bedeutete ein Ereignis.“

1917 fusionierte die Bockbrauerei mit der Patzenhofer-Brauerei, die sich wiederum drei Jahre später mit Schultheiss zusammenschloss.

Die Schultheiß-Patzenhofer AG betrieb einige hundert Meter entfernt auf dem Kreuzberg ebenfalls eine Brauerei .

1922 wurde die Bierproduktion auf dem Brauerei-Gelände am Tempelhofer Berg eingestellt. Dennoch blieb die Bockbrauerei bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts die meistbesuchte Vergnügungsstätte der Berliner.

Überblick über die Unternehmensgeschichte

Vom Krieg (fast) verschont

Betrachtet man die Bombenschäden während des zweiten Weltkriegs in Kreuzberg erkennt man, dass der Chamissokiez zu den am wenigsten betroffenen Gebieten gehörte.

Gebäudeschäden in Kreuzberg 1945 (blau: komplett zerstört, hellblau: teilzerstört)
Gebäudeschäden im Chamissokiez 1945

Einer der Gründe mag sein, dass sich im „Bomber’s Baedecker“ von 1944 (der hieß wirklich so und listete die „kriegswichtigen“ Ziele in Deutschland für alliierte Bomberpiloten auf) nur ein Ziel in der näheren Umgebung findet:

Die DBU wurde nicht zum Ziel, dennoch waren auch im Chamissokiez die Kriegsschäden sichtbar.

Luftbild der Fidicinstraße aus dem Jahre 1954, das während einer Befliegung der Firma Hansa Luftbild AG entstanden sind.

Deutlich zu sehen die Brache links neben dem Wasserturm. Auf dem Grundstück des komplett zerstörten Hauses befindet sich heute der Bolzplatz. Links die Schäden an der Bockbrauerei; Festsaal und Biergarten sind verschwunden. Das Haus Fidicinstraße 2 und das Eckhaus Mehringdamm/Schwiebusser Straße sind zerstört. Auch die Gebäude der Bockbrauerei an der Schwiebusser Straße haben die Bombennächte nicht überlebt. Die ursprüngliche Zufahrt zur Brauerei von der Schwiebusser Straße aus ist aber noch vorhanden.

Vom Alten Mühlenweg zur Fidicinstraße (1780 bis 1910)

Plan Geometral De Berlin E Des Environs (La-Vigne-Plan), 1685
Älteste bekannte Darstellung der Tempelhofer Berge. Der spätere Kreuzberg (links) und die Grundstücke entlang des Weinbergsweges (heute Bergmannstraße) sind als „Kurfürstlicher Weinberg“ ausgewiesen, die letzten drei als „Particulier-Weinberg“ (vergl. den Text von Fidicin weiter unten).
Friedrich Wilhelm Schaub: Upstall unterhalb der Tempelhofer Berge, um 1780
(Links die Mühle an der heutigen Fidicinstraße und der zu ihr führende Weg, heute Am Tempelhofer Berg. In der Mitte der Weg die Tempelhoferstraße nach Tempelhof, heute Mehringdamm und rechts der Kreuzberg)
1802: Plan von Berlin nebst den umliegenden Gegenden

1843 schrieb Ernst Fidicin über das Gebiet im dem 47 Jahre später eine Straße nach ihm benannt werden sollte:

Ernst Fidicin: Berlin – historisch und topographisch dargestellt, Berlin 1843

Eine der Gastwirtschaften war jene, die ihren Namen von jenem „dustren Keller“ hatte und deren Dächer wir auch auf dem Gemälde von Schaub (s.o) finden.

um 1790 (Blick auf den Kreuzberg)

Ab 1840 beginnt die weitere Bebauung des Mühlenberges mit dem Bau der Bockbrauerei in direkter Nachbarschaft zur westlichen der beiden Mühlen.

Photo für Stereoskopie enstanden zwischen 1868 und 1870. Links die Bockbrauerei.

Die Bockbrauerei wurde mehrmals erweitert. das Gemälde von Julius Jacob zeigt aber deutlich, dass sie an der westliche Seite des Mühlenberges die einzige Bebauung (abgesehen von der Mühle) war.

Julius Jacob: Holländermühle neben dem Brauereigebäude am Tempelhofer Berg, 1883
Detail aus der „Festschrift für das 75-jährige Jubiläum der Berliner Bock-Brauerei“, im Vordergrund der „Dustre Keller“, im Hintergrund die Mühle und die Brauerei auf dem Tempelhofer Berg.

Mit dem Hobrecht-Plan von 1862 wurden auch die Tempelhofer Berge als mögliche Baugebiete ins Auge gefasst. Hobrecht plant dabei allerdings kein konkretes Straßennetz, sondern lediglich Bebauungsblöcke, die Grundlage für die spätere Kanalisationsplanung waren. Die eigentliche Bebauung begann erst ein Vierteljahrhundert später.

„Ausdrücklich ist auf die fortschrittliche Gesinnung Hobrechts hinzuweisen, wie sie zu dieser Zeit auch Rudolf Virchow und Ludwig Hoffmann im Dienste der Stadt Berlin und ihrer Menschen vertraten. Die von Hobrecht 1859-61 erarbeiteten Bebauungspläne für die Umgebungen von Berlin waren nicht dazu gedacht, gesundheitsschädliche Wohnverhältnisse zu schaffen, wie gelegentlich in polemisierenden Texten zu lesen ist.
Der Straßenplan mit seinen markanten Plätzen machte keine Aussage über die Bebauung der Blöcke. Der Grund für die Mietskasernen lag in der hemmungslosen Bodenspekulation.“
Quelle: Verein für die Geschichte Berlins e.V., gegr. 1865

Bebauungsplan der Umgebungen Berlins, Genehmigt durch Allerhöchste Cabinets Ordre. Abtheilung II (Hobrecht-Plan, die „Abtheilung II“ umfasste den u.a. den heutigen Chamissokiez und endete an der heutigen Schwiebusser Straße)

Hundert Meter östlich, etwa in der Straßenmitte, begann allerdings schon 1872 der Bau einer Molkerei der Berliner Molkerei Aktien-Gesellschaft, die ihren Geschäftssitz in der Wilhelmshöhe 30 hatte. Ab 1874 findet sich im „Berliner Adreß- Buch für das Jahr 1874“ der Eintrag „Berliner Molkerei, Actien-Gesellschaft. Wilhelmshöhe 30. und Tempelhoferberg (Hinter der Berliner Bock-Brauerei)“. Elf Jahre später ist die Molkerei bereits in Liquidation.

Die Fidicinstraße heißt noch Alter Mühlen Weg, ist aber auch schon als Straße 23 des Bebauungsplans ausgewiesen, die Schwiebusser Straße als Straße 22.

Die Bodenarbeiten zur Vorbereitung der weiteren Bebauung waren aufgrund des sandigen Bodens sehr aufwendig.

Julius Jacob: Arbeiter am Tempelhofer Berg, 1884

Doch erst nach der Fertigstellung der „Wasserhebe Station“ 1888 begann der Wohnungsbau.

1889: Situations-Plan von Berlin mit dem Weichbilde und Charlottenburg.

Die letzte Mühle verschwand und ebenso die Molkerei. Dafür wurde die Bockbrauerei entlang der Schwiebusser Straße noch einmal erweitert. 1910 schließlich war die Bebauung des Quartiers beendet.

Auch die Bockbrauerei mit dem Festsaal an der Fidicinstraße und dem Rondell des Biergartens hat nun ihre endgültige Form.

1910: Übersichtsplan von Berlin in 44 Blättern (Straube-Plan)
Die Fidicinstraße vom heutigen Mehringdamm aus gesehen. Postkarte um 1910
Eingang zur Bockbrauerei in der Fidicinstraße um 1900
Eingang zur Bockbrauerei in der Fidicinstraße um 1900
Eingang zum Biergarten der Bockbrauerei in der Fidicinstraße um 1903
Blick aus der Fidicinstraße 41(?) auf den Eingang zur Bockbrauerei

Weitere Bilder

Non solo veritas in vino…
…gedreht…
…und gespiegelt.
Blick nach Nordosten. © Michael Schmuck
Winter. © Michael Schmuck
Vor der Sanierung. © Michael Schmuck
Der Wasserturm und der Radarturm auf dem Tempelhofer Feld von der Kurfürstenstraße aus gesehen. Im Vordergrund die American Church am Dennewitzplatz

Baupläne und Kosten

Der Wasserturm kostete insgesamt 300.000 Mark (das entspricht einem Kaufkraftäquivalent von etwa 2.520.000 €).

„Die Kosten des Bauwerks belaufen sich einschließlich der
Maschinen, Kessel und Rohrleitungen auf rund 300.000 M,
wobei auf die Bauarbeiten im einzelnen folgende Summen
entfallen:
Erdarbeiten 3.700 M, Mauerarbeiten 31.500 M, Mauermaterialien
53.900 M, Zimmerarbeiten und Materialien 6.710 M, Stakerarbeiten und Materialien 20 M, Steinmetzarbeiten und Materialien 11.600 M,
Dacbdeckerarbeiten und Materialien 5.680 M, Klempnerarbeiten
1.270 M, Töpferarbeiten 150 M, Tischlerarbeiten 1.600 M, schmiedeeiserne Decken und Dächer 16.167 M, Schlosserarbeiten 1.800 M , Glaserarbeiten 260 M, Steinsetzarbeiten 5.200 M, Malerarbeiten 1100 M, Entwässerung, Gas-, Wasser- und Heizanlagen 5.840 M, Blitzableiter 769 M, Asphaltarbeiten 760 M, Gärtnerarbeiten 750 M, zusammen 148.276 M.“

Hartung & Schultze , Wasserturm und Wasserhebewerk auf dem Kreuzberg, Berlin. (Aus: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, hrsg. v. G. Erbkam, Jg. 38, 1888): Grundrisse, Ansicht, Längsschnitt.
Hartung & Schultze, Wasserturm und Wasserhebewerk auf dem Kreuzberg, Berlin: Aufriss Straßenansicht (von Süden).
Hartung & Schultze, Wasserturm und Wasserhebewerk auf dem Kreuzberg, Berlin: Perspektivische Ansicht.

Für die zweijährige Komplettsanierung waren übrigens ursprünglich 3.950.000 € angesetzt. Allerdings stand bereits im Finanzierungsantrag :
„Die Gesamtkosten dieser Baumaßnahme nach aktuellem Planungsstand können sich baupreisindexbedingt
(…) auf rechnerisch 4.373.637,50 € erhöhen.“

Turmfalken

Trotz der über zwei Jahre dauernden Sanierung des Turmes sind die Falken zurückgekehrt.
Sie nutzen wieder ihren Nistplatz…
… und geniessen die Aussicht.

Weitere Bilder:

Blowing in the wind…
„Here’s looking at you, kid!“
Wache
Zurück von der Jagd
Portrait
Warten auf den Partner

Der Wasserturm „Undine“

1856

1856 bestand die Bebauung des späteren Kiezes lediglich aus „Hopfs Bierbrauerei und zwei Windmühlen (zu erkennen an den zwei Kreisen mit Mühlenkreuz) jeweils mit angegliedert Müllerhaus. Beide waren von der heutigen Schwiebusser Straße erreichbar, wo man heute noch das Müllerhaus der östlichen Mühle findet.

1882

25 Jahre später, die „Schlucht am Tempelhofer Berge“ ist eingeebnet. Die Planung der Straßen ist abgeschlossen, doch noch hat die Bebauung nicht begonnen. Auch die westliche Mühle ist noch an ihrem Platz.

Bei der Bebauung des Gebietes mussten zur Wasserversorgung Höhenunterschiede von etwa 14 m (zwischen der heutigen Bergmannstraße und der Fidicinstraße) überwunden werden. Nach einer „Wettbewerbung“ des Berliner Architekten-Vereins wurden die Pläne von Regierungsbaumeister Hugo Hartung (1855–1932) und Richard Schultze (1855–1923), die diese unter dem Motto „Undine“ eingereicht hatten, zum Siegerentwurf erklärt.

Als Bauplatz wählte man die Ecke der Straße 21f (seit 24.4.1890 Kopischstraße) und der Straße 23 (seit 24.4.1890 Fidicinstraße). Dazu schrieb das „Centralblatt der Bauverwaltung“ in seiner Ausgabe vom 27.2.1886:

„In dem Berichte wurde noch bemerkt, daß leider der in Aussicht
genommene Bauplatz nordwärts der Bockbrauerei auf der östlichen
Hälfte des Kreuzbergs, welche, an der Ecke zweier verhältnißmäßig
schmalen Straßen belegen, an zwei Seiten von Mietshäusern eingebaut werden wird, recht wenig glücklich gewählt erscheint. Gerade
an dieser Stelle wird das Bauwerk durch die umliegenden Häuserviertel und die Gebäude der höher liegenden Bockbrauerei fast durchaus
den Augen entzogen bleiben, während es, bei einer Höhe des Thurmes
von über 30 m, bis zum Hauptgesims und einem oberen Durchmesser
von 15 m, wohl geeignet sein würde, ähnlich dem Denkmal auf dem
westlichen Hauptgipfel des Kreuzberges und dem mächtig wirkenden
Wasserthurm auf dem Spandauer Berg einen Merkpunkt in der in
dieser Beziehung bis jetzt so dürftig ausgestatteten Landschaft um
Berlin abzugeben.“

Offensichtlich waren diese Bedenken unbegründet.

Auf diesem Panoramabild vom Kreuzberg aus gesehen (um 1900), ist sehr wohl der Wasserturm als „Merkpunkt“ zu erkennen.

Vom April 1887 wurde mit der Bauausführung des 44,4 m hohen Wasserturms in der Form eines mittelalterlichen Backsteinbaus begonnen, der Rohbau im Oktober 1887 fertiggestellt. Neben dem Backstein wurden Quader aus Schlesischem Granit verwandt und das Dach mit Schiefer gedeckt.

Der Innenausbau wurde im Mai 1888 beendet. Im Turm wurde ein aus Eisen geschmiedeter Hochbehälter für Wasser mit einem Fassungsvermögen von 406 m³, eine Wohnung für den Maschinenmeister und ein Maschinenpumpraum untergebracht. Zur Anlage gehörten ein Kessel- und Kohlehaus sowie ein eigener Hof. Am 14.06.1888 wurde der Wasserturm in Betrieb genommen. In den Maschinenraum wurde nachträglich ein Sternengewölbe mit Rippen aus Ziegelformsteinen eingebaut.

1890: Die Bebauung ist fast abgeschlossen, an der Ecke Straße 21f und Straße 23 befindet sich nun die „Wasserhebe Station“

1925 erhielt der Turm eine elektrische Wasserpumpe. Ende der 1950er Jahre wurde er stillgelegt und fünf Wohnungen für Angestellte der Berliner Wasserwerke eingerichtet, die bis Anfang der 1980er Jahre bewohnt waren. Danach wurde der Wasserturm zu dem Jugend-, Kultur- und Kommunikationszentrum „DTK-Wasserturm“ für die Gegend um den Chamissoplatz umgebaut.

Von Anfang 2021 bis Anfang 2024 wurde eine Komplettsanierung des Wasserturms durchgeführt. Seit April 2024 hat das DTK-Wasserturm wieder den Betrieb im Turm aufgenommen.

Eine ausführliche Beschreibung des ursprünglichen Wasserturms findet sich in der Zeitschrift für Bauwesen AusgabeXXXVIII von 1888.  

Hartung & Schultze, Wasserturm und Wasserhebewerk auf dem Kreuzberg, Berlin: Aufriss Straßenansicht (von Süden).
Das wohl älteste Foto des Wasserturms (um 1888).
1890: Die letzte Mühle an der Fidicinstraße kurz vor dem Abriss und der Wasserturm. Die Bebauung schreitet voran.
um 1910
Der Wasserturm nach der Komplettsanierung 2024
1888
2024